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Austern

Austern

Ja, heute werden sich an meinem Artikel die Geister scheiden – die Einen lieben sie, für die anderen sind sie glibberiger Ekel pur…
Niemand verlangt, dass es auf der Welt gerecht zugehen sollte. Aber sooo ungerecht, wie sie ist, müsste es auch nicht gerade sein. Nahezu 5 Millionen Tonnen Austern werden jedes Jahr in Asien gegessen; bei uns in Europa sind es gerade mal 0,1 Millionen. Die Preise sind dementsprechend umgekehrt proportional.
In den verschiedenen Küstengewässern der Welt wachsen etwa 100 verschiedene echte und dann noch ein paar unechte wie die Perl- oder Hammermuschel heran. Der Großteil aller heute vermarkteten Austen sind Zuchtexemplare aus so genannten Austernparks.
Allgemein wird behauptet, dass hier in Europa die Austern in den Monaten mit R am besten sind und in denen ohne R gemieden werden sollten. Das ist schierer Nonsens. (Gilt übrigens für alle Muscheln). Am besten überhaupt sind sie im Mai 😀
Haben wir auf dem Markt unsere Austern erworben, kann man sie – eingeschlagen in ein feuchtes Tuch – für ein bis zwei Tage im Gemüsefach des Kühlschrankes aufbewahren. Einfrieren kann man die Biester zwar auch, doch würde ich dann auf einen Rohverzehr lieber verzichten.

Es ist soweit. Wir haben alle Termine abgesagt, und freuen uns auf unsere erste Austernmahlzeit. Aber bevor es soweit ist, die Dinger zu genießen, muss man sie erst einmal aufkriegen. Das ist leichter gesagt als getan.
Bevor man sich anschickt, die Schale zu knacken, sollte man erst einmal genau hinschauen, ob sie auch noch schön geschlossen ist. Eine offene Auster muss nicht unbedingt schon tot sein. Aber sie enthält kein Wasser mehr und ist ausgetrocknet. Solche wollen wir nicht. Verströmt sie schon üble Gerüche, wollen wir sie erst recht nicht.

Als Nächstes benötigt man geeignetes Werkzeug.

Völlig ungeeignet sind Taschenmesser ohne Klappsicherung. Das kann einen die Finger kosten (Ich spreche da aus leidvoller Erfahrung – und ja, die Finger sind noch da…glücklicher Weise). Normale Küchenmesser kommen auch nicht infrage. Die brechen wahrscheinlich ab. Man rutscht damit auch zu leicht ab. Spezielle Austernmesser, mit einer 6 cm langen Klinge und ziemlich stumpfer Schneide sind da schon besser. Genau so gut funktionieren übrigens ein kurzer, stabiler Schraubendreher mit flacher etwa 5 mm breiter Klinge und ein kleines Messer. (Zur Not geht sogar ein Korkenzieher)
Wer häufig Austern öffnet, sollte sich einen stabilen Schutzhandschuh für die linke Hand leisten. Die anderen nehmen ein Tuch. So ausgerüstet geht es ans Öffnen der Auster.

Dazu legen wir sie mit der flachen Schalenseite nach oben auf eine feste Arbeitplatte und halten sie mit der linken Hand gut fest. An der mit dem roten Pfeil gekennzeichneten Stelle befindet sich eine Art Scharnier. Das müssen wir durchstoßen. Dazu bohrt man Schraubendreher oder Messerklinge in den Spalt zwischen Ober- und Unterschale. Das hört sich leichter an, als es ist. Man benötigt dazu einigen Kraftaufwand. Es hilft, wenn man beim Bohren mit der Klingenspitze ein wenig in dem entstehenden Loch herumrührt. Dann kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man spürt: ich bin drinnen. Als nächster Schritt wird die Klinge so weit verkantet, dass ein Spalt zwischen Ober und Unterschale entsteht. Mit der Schraubendreher-Methode kann man jetzt ein kleines Messerchen zwischen die Schalenhälften schieben und so nah wie möglich an der Oberschale den Haltemuskel der Auster durchtrennen. Dieser befindet sich dort wo der rote Punkt ist. Dabei ist es angesagt, das Fleisch der Auster nach Möglichkeit nicht zu verletzen.

Spätestens nach dem Durchstechen des Scharniers ist darauf zu achten, dass die Auster immer horizontal gehalten wird. Anderenfalls läuft das Wasser heraus. Nachdem der Haltemuskel durchschnitten wurde kann man den Deckel der Auster leicht abnehmen. Dabei kann es vorkommen, dass einem eine »Duftwolke« entgegenschlägt. Sollte diese sich innerhalb von 15 Sekunden verflüchtigen, dann hat das nichts zu bedeuten. Auch Austern haben eine Verdauung xD. Verfliegt der Geruch nicht, wird die Auster entsorgt. Nach dem Öffnen ist es keine schlechte Idee, auch das zweite Schließband, das sich unter der Auster befindet zu durchtrennen. In der Gastronomie wird das nicht gemacht, aber es erleichtert das Essen der schlüpfrigen Köstlichkeit erheblich, wenn man keine spezielle Austerngabel hat. Dann platzieren wir die Auster auf einer flachen mit Crushed Ice und Algen bedeckten Schale und öffnen die nächste. Man rechnet pro Gast mindestens 6, besser aber 12 Stück.

Man sollte auch hinreichend Zeit für das Öffnen einplanen. Der offizielle Rekord liegt zwar bei 91 Sekunden für 30 Stück. Die meisten von uns sind aber froh, wenn sie in dieser Zeit eine geschafft haben. Und wenn jemand sich zum ersten Mal daran versucht, soll er froh sein, wenn er die Dinger überhaupt und ohne Blutvergießen aufkriegt.

Beim Servieren kann man zusätzlich gebuttertes Graubrot reichen. Muss aber nicht. Manche träufeln etwas Zitrone über die Auster oder/und mahlen etwas schwarzen Pfeffer darüber. Am besten aber sind sie au naturell. Wer kein Salz mag, gießt das Wasser in der Auster vor dem Essen ab. Wir anderen schlürfen es mit.
Was trinkt man dazu? Ein trockener leichter Weißwein oder ein Champagner sind natürliche Verbündete der Auster.

Soviel zum Austeressen im Allgemeinen. Kommen wir also zum Besonderen.
Wenn man sich bei einem gut sortierten Händler die Auslage ansieht, kann man leicht ins Grübeln kommen. Das Angebot des Tages, Größe 4, keine Sortenbezeichnung, kostet 3 € pro Dutzend.
Im Hintergrund erkannt man ein Schild mit der Aufschrift »huitres plates« zum Preis von 16 € das Dutzend. Da beide gekauft werden, muss es wohl einige Unterschiede geben. Wie gravierend sind die?

Die für uns Europäer wichtigsten Austernsorten sind die Europäische Auster, die aufgrund einer Epidemie benahe ausgerottet wurde, dann die Portugiesische Auster und schließlich die Pazifische Felsenauster.

Schaun mer mal:

Europäische Auster
(ostrea edulis; engl. flat oyster; franz. huitre plate; ital. ostricia; span. ostra, ostion)

Die europäische Auster ist nahezu kreisrund und recht flach. Ihr Fleisch ist beige, sandfarbig. Sie gilt als die kulinarische Krone der Austern. Dabei gibt es aber je nach Herkunftsgebiet noch feine, regionale Unterschiede. Die bekannte Belon, kommt aus dem gleichnamigen Fluss im Süden der Bretagne. Etwas weniger geläufig sind uns die genauso guten, belgischen Ostendes, die holländischen Imperial, die Limfjord aus Dänemark, die Colchester und Whitstable aus England und schließlich die Galway aus Irland.
Diese Sieben repräsentieren die begehrtesten »plates«. Sie sind naturgemäß auch die teuersten.

Bis hierher war es einfach. Doch jetzt wird die Abgrenzung schwierig.

Portugiesische Felsenauster
(Crassostrea angulata; franz. huitre creuse portugaise, kurz »portugaise« span. ostra de Portugal)

Die Felsenauster hat eine länglich ovale und tiefe Form. Ihr Fleisch ist grau-violett. Bekannt ist in Frankreich die Gegend um Marennes-Oléron. In den dortigen Mastbecken (franz. Claires) werden neben der Pazifischen Felsenauster, auch noch geringe Mengen der Portugiesischen Auster gezüchtet. Die »Portugiesen« werden aber genauso wie auch die Pazifik-Auster unter der Bezeichnung »huitre creuse« vermarktet, was nichts anderes heißt, als Felsenauster. Man kann also aufgrund dieser Bezeichnung nicht sicher sein, um was es sich eigentlich handelt. In 95 % aller Fälle aber halt nicht um eine »portugaise« sondern um die »japonaise«.

Das Fleisch der Austern aus den Marennes-Claires hat eine leicht grünliche Farbe. Diese sind nicht so gut wie die Belon aber besser als die üblichen »Fines de Claire«. Letzteres ist die Bezeichnung für eine Auster, die nach der Aufzucht im Austernpark für einige Zeit in ein Mast/Klärbecken umgesiedelt wurde, um dort zur Marktreife zu kommen. »Special de Claire« nennt man sie, wenn sie besonders lange im Claire-Becken lag. Die schmecken dann besonders milde.

Pazifische Felsenauster
(Crassostrea gigas, huitre creuse du Pacific auch huitre creuse japonaise)

Dies ist eine sehr tiefe und länglich schlanke Auster, die sehr groß werden kann. Sie ist üblicherweise 2 bis 4 mal länger als breit. Sie wurde nach Europa eingeführt, als eine Epidemie die Bestände der Europäischen Austern dezimierte. Heute decken die »Pazifischen« als Standardauster den Großteil des Marktes ab. Üblicherweise kommen sie als »Fines de Claires« in den Handel. Ihr Fleisch ähnelt in der Farbe, wenn auch nicht in Geschmack und Konsistenz der Europäischen Auster. Kommen die Dinger nicht aus Frankreich sondern aus dem Deutschen Wattenmeer, dann heißen sie »Sylter royal«. Das klingt wie Imperial, steht aber doch 2 Stufen darunter. Ob Imperial allerdings wirklich soviel besser schmeckt, wie sie teurer ist als eine Standardauster, entscheidet letztlich der Geldbeutel.

Es gibt dann noch einige andere Bezeichnungen, die einem hin und wieder begegnen.

Huitres du parc wurden nicht in einem Mast/Klärbecken fertig produziert, sondern direkt vom ursprünglichen Austernpark in Umlauf gebracht. Die gibt es nur in Frankreich. Sie schmecken gut. Haben noch etwas Naturhaftes, »Wildes«.

Gillardeau-Austern. Das sind Special de Claires eine bestimmten Herstellers. »Besonders rein im Geschmack« sagen die einen, »Besonders langweilig« die anderen.

Huitres sauvages sind besonders große Austern, die sich eigentlich nur zum Kochen, nicht aber zum Schlürfen eignen.

Damit sind wir bei den Größen. Austern werden wie Papierbögen genormt. Je größer, desto kleiner die Kennziffer. Die Einteilung erfolgt nach Gewicht (einschließlich Schale) Zum Schlürfen eignen sich bei den Creuses die mittleren Größen 3 und 2 am besten. (Anfängern sind eher 4 und 3 empfohlen).

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