GenderIdentity (1)

Becoming Mila – sind wir schon da?

Becoming Mila – sind wir schon da?

Ein Tagebucheintrag über mein Leben als Transgender Frau

Hallo? Sind wir bald da? Ich muss mal…mir ist langweilig…..ich will ein Eiiiiis….
So ähnlich geht es den meisten Mädels während ihrer Transition. Ein gutes halbes Jahr ist wieder ins Land gezogen seit ich mich das letzte mal mit einem wirklichen Transthema beschäftigt habe. Diese sind, wie ich zuletzt häufiger angemerkt habe, etwas in den Hintergrund getreten. Jedenfalls habe ich das gedacht…und das zu dem Zeitpunkt auch felsenfest so gemeint, ALS ich das sagte. Doch während ich diese Zeilen hier tippe, denke ich, dass ich mir nur mal wieder selber etwas vorgemacht habe. Es stimmt – ich habe in den letzten Wochen sehr viele andere Baustellen in meinem Leben gehabt und auch die Reha hat mich auf meinem Weg ein ganzes Stück vorangebracht, aber dass ich mir so richtig über mein „Transsein“ Gedanken gemacht habe, ist schon lange her. Einerseits könnte man sagen, dass es gut ist und ich ein in Anführungszeichen normales Leben führe…doch wenn ich heute Abend so darüber nachdenke, dann stimmt das so nicht. Jedenfalls nicht zu hundert Prozent.

Ich habe mir ein Umfeld geschaffen, in dem ich sicher den Tag verbringen kann. Ich lebe glücklich in einer WG und habe dank der Lütten meiner Mitbewohnerin immer ein kleines Energiebündel um mich rum wuseln. Das Kind beschäftigt mich tags über. Die Kleine ist wie mein eigenes Kind und gibt mir die Illusion einer eigenen Familie. Das ist OK für mich. Ich bin Mama Mila  Ich mag nicht mit der Mama liiert sein, aber für das Würmchen macht das keinen Unterschied. DAS macht mich unsagbar glücklich (genau so wie der seit Februar frei gewordene KiTa Platz ^^ ) Meine Nachbarn habe ich richtig, richtig lieb gewonnen. Anfangs hatte ich schreckliche Angst davor, was wohl die Leute denken würden wenn „so jemand“ wie ich hier einzieht…und dann noch ein Kind mit im Spiel ist (ob meins, oder nicht ist ja egal).

Was ich eventuell noch nicht geschrieben habe, oder eventuell auch geflissentlich verschwiegen vergessen zu erwähnen habe ist, dass es sich bei meiner Mitbewohnerin um meine Ex-Frau handelt. Wer mir von Anfang an folgt, oder über meinen Umzug gelesen hat, der weiß natürlich bescheid beziehungsweise konnte es sich wohl denken, so wie ich immer von der kleinen Maus gesprochen habe. Ja – ich wohne mit meiner Ex-Frau zusammen. Wir haben uns ein gutes Jahr lang gehasst, nachdem wir uns getrennt hatten. Sie hat einfach nicht verstehen können, wie aus ihrem Ehemann eine Frau werden sollte. Für sie war es einfach nur Verrat und Betrug.

Mein Leben war geprägt von unterdrückten Emotionen und Gefühlen. Ich habe nur versucht so zu leben wie andere es von mir gerne wollten. Ich wollte alle Ansprüche, die an mich gestellt wurden einfach nur erfüllen, um geliebt zu werden. Liebe durch Anerkennung. Für Gefühlsduselei war kein Platz da. Zu einem guten teil beruhte meine Ehe tatsächlich auf dem Wunsch nach Außen hin perfekt zu sein, weil „Mann“ das so macht. Natürlich habe ich sie auch geliebt. Mehr als jeden Menschen davor. Sie hat mein Herz aufgeschlossen und somit unwissentlich überhaupt erst alle Veränderung in mir in Gang gesetzt. Denn wo ich vor ihr nur ein funktionierender Roboter war, der seiner Programmierung folgte, hat sie mir zu Leben gezeigt. Gezeigt wie ich über meine Programmierung hinauswachsen kann; was es bedeutet das Schöne im Leben zu sehen. Dafür bin ich ihr so unendlich dankbar.

Doch sie kann nicht verstehen was mit mir passiert ist, denn für sie, habe ich sie einfach verlassen. Sie wollte/konnte mich auf dem Weg leider nicht begleiten. Sie wollte einen mann in ihrem Leben und keine Frau; für sie ist Partnerschaft auf ein biologisches Geschlecht gepolt. Dafür mache ich ihr keinen Vorwurf – jedenfalls nicht mehr, denn wenn ich heute darüber nachdenke, dann hätte es mir sicher auch gegruselt, wenn sie mir damals von heute auf morgen gesagt hätte, sie lässt sich jetzt nen Bart stehen und will nur noch im stehen pinkeln (Übertreibung beabsichtigt). So etwas ist für keine Partnerschaft einfach und eben in 5 Minuten aufgelöst.

Jedenfalls ist es so, dass wir jetzt 3 Jahre später, allen widrigen Umständen zum Trotz wieder ein Dach über dem Kopf teilen – wenn auch nur als gleichberechtigte Mieter in einer Wohngemeinschaft. Keine von uns muss sich alleine durchkämpfen und gemeinsam ist man eben doch stärker.

Was sollte diese elend lange Einführung?

Darauf komme ich jetzt. Versprochen. Nach nur ein Paar weiteren kurzen Ausführungen. Ehrlich.
Wie oben gesagt, sind meine Transthemen in den Hintergrund gerückt, weil ich dachte, da gäbe es nichts Neues. Heute Abend denke ich, ich habe mich versteckt. In diesem Fall sogar irgendwie unbewusst. Ja, ich habe eine Sozialphobie entwickelt. Ja, dieser welchen haben meine lieb gewonnenen Aukrug Menschen super entgegen gewirkt, aber etwas ist da noch. Ich habe Angst fremden Menschen gegenüber zutreten und habe mich deshalb die letzten Jahre quasi in der Wohnung verkrochen.  Etwas was meiner eigentlich total geselligen Natur völlig widerspricht. Aus dem Grund habe ich auch den Blog ins Leben gerufen – Kontakt zur Außenwelt. Deshalb bin ich im Facebook so aktiv. Weil ich trotz meines Ruhebedürfnisses Menschen BRAUCHE. Und gleichzeitig vor ihnen Angst habe… Deshalb wirke ich manches mal auch etwas kühl oder distanziert (manche sagen sogar arrogant), aber das bin ich nicht. Wer mit mir ins Gespräch kommt kann das bestätigen, doch leider brauche ich immer einen Moment bis ich auftaue. Das ist meiner schrecklichen Unsicherheit geschuldet…
Und jetzt kommen wir langsam an des heutigen Tages Kernthema…

Es ist DOCH ein Transthema

Ich habe meine Transition im Eiltempo durchlaufen. Psychotherapie – zweite(!!!) Stunde Indikation Hormone – 1 (!!!) Woche warten auf Ersttermin beim Endo – Brustaufbau nach einem Jahr – Genehmigung für GA nach 15 Monaten….ich bin im Eiltempo durch alles durchgerauscht. Für wahr. Nur meine Entwicklung in der neuen Rolle ist dabei etwas auf der Strecke geblieben, denn ich habe mich seit meinem Coming Out fast nur in meinem altbekannten Umfeld aufgehalten. Ich habe meine alten Freunde…ich wohne wieder mit meiner Ex zusammen.

Ich hatte nur ganz wenige Momente, in denen sich Mila beweisen konnte/musste.
Und letzter Freitag war eventuell einer der wichtigsten Tage in meinem Leben als Mila, denn ich bin das erste mal seit meinem Coming Out ausgegangen! Verdammt, ich lebe seit Weihnachten 2014 24/7 als Frau und bin noch nie aus gewesen… Natürlich lebe ich meinen Alltag als Frau, aber Ausgehen ist dann doch etwas anderes. Tags über versuche ich unterzugehen und in der Masse zu verschwinden. Je weniger man von mir zur Kenntnis nimmt, um so besser, doch an diesem Freitag WOLLTE ich mich zeigen. HALLO WELT, hier bin ich – Mila. Mein derzeit buntes Haupthaar hat mir grundsätzlich sowieso schon mehr Selbstbewusstsein geschenkt, doch sich abends aufzubrezeln ist einfach eine Wonne für das Ego. Make up, enge Kleidung, hohe Schuhe – die reine Egotour, aber enorm wichtig für meine Eigenwahrnehmung! Mein Selbstverständnis! Ein wichtiger Schritt in meiner zweiten (diesmal richtigen) Pubertät. Und damit meine ich nicht die gruseligen Tranny-Verkleidungen in die sich leider doch ach so viele von uns in ihren Stubentransenzeiten schmeissen…ich meine chic machen 😀
Ich habe etwas getan, was Cis-Mädchen im frühen Teeniealter beginnen und auch DAS gehört zur Transition dazu. Für andere mag das eine nicht weiter nennenswerte Lapalie sein, aber für mich war das ein fehlendes Puzzleteil, auf dem Weg zum Frau-sein. Mit der besten Freundin ausgehen. Mädelsabend machen…

Und das Beste dabei war, dass ICH gar nicht mehr die ganze Zeit „trans, trans, trans, trans,…“ gedacht habe…ich habe mich einfach für den Abend fertig gemacht und mich mit meiner allerliebsten Freundin getroffen, um das Hamburger Nachtleben unsicher zu machen. So als wäre es das Normalste auf der Welt…

Der Abend an sich? Eskalation! 

Am Freitag um 18.30 habe ich mich mit meiner liebsten Freundin in Garstedt getroffen, um den Abend gebührend einzuleiten – das sollte mit Hilfe von Mikrowellen Burgern und Hugo aus dem Lidl passieren. Frau weiß immerhin was stilvoll ist  DU weisst einfach wie man eine Frau glücklich macht.. ja DICH meine ich  Ich bin sicher du liest das!
Wir haben den frühen Teil des Abends einfach mit quasseln und tratschen verbracht, bis wir uns dann so gegen 23 Uhr auf den Weg nach Hamburg rein gemacht hatten – unser Ziel sollte der „Grüne Jäger“ in St.Pauli sein.

Mit der Wahl der Location wollte ich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen – endlich mal wieder EBM in Discolautstärke hören, mich unter „Schwarzes Volk“ mischen und die Gelegenheit ergreifen, zwei langjährige Facebookbekanntschaften endlich einmal im Real Life zu treffen – denn die beiden haben als DJanes das Haus zur ersten „Cirque du Grotesque“-Party gerockt! Meiner Begleitung hätte ich allerdings noch ein Paar mehr Details zu unserer Ziel-Location und den anwesenden Leuten mitteilen sollen…dafür entschuldige ich mich auch dieser Stelle noch einmal in aller gebotenen Demut!

Ich habe mich völlig atypisch verhalten – so kannte ich mich gar nicht. Völlig frei und ungestört abzappeln, als ob ich eine fiese Nervenkrankheit hätte. Das hätte ich mich als Mann niemals getraut. Dieses freie Gefühl wäre einfach undenkbar gewesen. Den Beat geniessen. Bewegung.

Zu späterer (oder auch früherer) Stunde gelang es mir dann auch (dank kommunikativer Hilfe meiner Begleitung) mit den beiden Mädels vom Mixpult in Kontakt zu kommen – zwei super Mädels…echt! Es war mir eine Freude euch kennen lernen zu dürfen. Auch wenn der Abend von diesem Punkt an….lang wurde. Formuliere ich es mal dezent und unverfänglich so ^^ Meine Freundin musste am nächsten Tag arbeiten (Start um 11.30) und wir wollten eigentlich nicht ZU spät wieder nach Hause…und haben es geschafft, nach allem was dann sonst noch so passiert ist (hier breite ich jetzt den mantel des Schweigens aus), so um 7 Uhr bei ihr aufzuschlagen – 41/2 Stunden bis Schichtbeginn….yey! Immerhin bin ich um 11.25 hochgeschreckt….völlig destroyed xD

Ich war dann im Anschluss so gegen 14 Uhr zu Hause…doch anstatt dann tot umzufallen habe ich mich in die Küche gestellt und eine exotische Suppe gekocht…Wäsche gewaschen…einen Film angeguckt ….und bin dann irgendwann um 22 Uhr ins Bett gekrochen – NACHDEM ich mit meiner Ex noch einen Glüchwein zum „runterkommen“ getrunken hab. Ich war so hart…ich war also von Freitag 7 Uhr…bis Samstag 7 Uhr auf…habe 4 Stunden geschlafen…und dann wieder bis 22 Uhr auf….schon respektabel, wenn man NICHT im Training ist xD

Warum schreibe ich das also alles?

Weil dieser Abend bei mir einen Knoten zum Platzen gebracht hat. Ich weiß jetzt, das ich endlich/wieder leben kann….und das ich einem Penis nicht abgeneigt bin xD Also keinem eigenen…eher so generell ^^ Ich WEISS jetzt, dass das nicht nur eine Fantasie ist, sondern, dass das alles schon so stimmig ist, wie das jetzt ist…. Ich bin in meiner Jugend viele Male abends weg gewesen um Party zu machen, aber das hat sich immer leer angefühlt. Es fehlte einfach etwas.

Habe ich jetzt mit diesem Endlostext irgendeine tiefere Aussage getroffen? Ich weiß es nicht….ehrlich…ich kann nur sagen, mein inneres pubertierendes Mädchen ist glücklich wie lange nicht mehr, da ich endlich wieder auf meine weibliche Seite gehört habe und mich mit meinem Hintern aus der Comfort Zone bewegt habe…. *hüstel….HUST!*

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Helga Johanna Nissen

    Hi Mila, toll geschrieben!
    Der teil mit:“das hätte ich mich als Mann nie getraut!“ kommt mir aus eigener Erfahrung sehr bekannt vor!
    Liebe Grüße Helga

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