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Tabula Rasa

Meine Lieben Leserinnen und Leser,
Es geht heute um einen Einblick in meine Seele. Ich bin mir noch nicht sicher wohin mich dieser Post führen wird, aber er wird anders als die bisherigen. Für die Meisten wird er eventuell auch zu lang, um noch lesenswert zu sein, aber das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich sortieren gerade noch meine Gedanken und überlege was und vor allem wie ich es eigentlich schreiben soll.

Wie ihr inzwischen sicherlich mitbekommen habt, bin ich gerade umgezogen. Das war ein enorm großer Schritt für mich – in vielerlei Hinsicht. Die letzten eineinhalb Jahre waren auf privater Ebene…schwierig.
Ich war selbstständig, verheiratet, wohnte in einem schönen Haus…ich lebte das perfekte Spießbürgertum. Oberflächlich betrachtet. Aber die Wahrheit sieht wohl so aus, dass ich mir nur etwas vorgemacht hatte, weil ich mir nicht eingestehen wollte, das dies nicht das Leben ist das ich eigentlich führen wollte – und ganz ehrlich, ich weiß es jetzt auch noch nicht. Und das macht mir Angst. Aber so weit bin ich noch nicht.
Die Entscheidung an meinem Leben etwas zu ändern wurde mir abgenommen oder zumindest habe ich mir das so die letzten Monate immer eingeredet. Das meine Firma insolvent gegangen ist lag zwar tatsächlich zu einem sehr Großen Teil an äußeren Umständen und der Zahlungsmoral meiner Kostenträger, aber eben nicht zu 100% wie ich jetzt mit etwas Abstand zugeben muss.
Das Jahr 2014 war für mich durch eine absolut tiefgehende Depression geprägt, die mich so gut wie handlungsunfähig gemacht hat. Wäre es anders gewesen, hätte ich mit der generellen Firmensituation anders umgehen können. Aber so wie es war hatte ich keine Chance. Ich war der Kapitän meines sinkenden Schiffes. Und den Eisberg habe ich bei hellichtem Tag, im Sonnenschein und mit Radiomeldung auf mich zukommen sehen. Wahrscheinlich gab es sogar eine Facebookmeldung…..
Fakt ist, dass ich mein Leben seit dem nicht mehr unter Kontrolle hatte. Das einzige was ich tun konnte war mich zurückzuziehen und mich ganz auf mich selbst zu konzentrieren. Der einzige Weg um zu überleben.
Meine Firma musste ich Ende 2014 schließen, meine Ehe war schon vorher kaputt und aus finanziellen Schwierigkeiten heraus musste ich schon im Herbst wieder bei meinen Eltern einziehen. Mein Leben war zu dem Zeitpunkt ein Desaster.
Meine Eltern…ein Punkt für sich. Nicht nur das meine Transition und mein weibliches Ich nicht ernst genommen wurden und als spleenige Phase abgetan wurden – nein – ich wurde jeden Tag mit meinem Versagen konfrontiert. Das hat mich mürbe gemacht. Das war keine Situation um irgendwie mit der „Situation“ aufzuräumen oder mental zu gesunden.
Nachdem ich dann Anfang Oktober 2014 wieder einmal morgens das Haus verlassen habe um den Anschein zu wahren ich würde noch irgendetwas in der Firma tun, wäre es dann fast soweit gewesen – ich habe meinen völligen seelischen und emotionalen Zusammenbruch bekommen.
Ich fühlte mich von meiner Familie verurteilt und missverstanden und mein eigenes Ego wahr nur noch eine schleimige Pfütze. Das war auch der Morgen an dem ich mich ins Auto gesetzt habe, den Gurt weggelassen habe, auf die Autobahn gefahren bin, das Gaspedal durchgetreten habe und die Augen geschlossen habe…
Ich weiß nicht wie lange ich das durchgehalten habe, aber irgendwann ist doch wieder wildes Hupen zu mir durchgedrungen und ich habe die Augen geöffnet um dann mit knapp 180 KmH das Lenkrad rumzureißen nachdem ich schon den Standstreifen passiert hatte.
Als ich zum Stehen kam war ich ein Häuflein Elend. Ich wollte einfach nur sterben und war zu feige. Ich schluchzte und heulte. Ich war kein Mensch mehr. Ich hatte keinen Wert mehr.
Ich hatte meine Eltern enttäuscht, meine Frau, meine Freunde…ich hatte als Mann versagt und würde auch nie eine Frau sein – vielleicht so fühlen, aber doch nie wirklich akzeptiert sein, kein Leben zur Welt bringen. Geldsorgen die ich nie würde loswerden können….
Ich war am Ende und wollte nicht mehr leben.
So einfach war das.

Fakt ist, das ich nur wegen eines einzigen Menschen noch lebe. Und dieser Mensch ist so rein und unschuldig und weiß nichts von dem Kummer und dem Schmerz den die Welt da draußen bereit hält. Ich wünschte ich könnte ihm das alles ersparen, diesem kleinen Menschen, aber das steht nicht in meiner Macht.

Nach meinem Zusammenbruch wusste ich nicht mehr wohin ich sollte. Meinen Eltern so wieder unter die Augen zu treten war mir unmöglich. Ich schätze in diesem Augenblick zerbrach etwas zwischen uns und ich weiß nicht, ob sich das jemals reparieren lässt.
Jedenfalls weiß ich noch wie ich mit zitternder Stimme bei meiner Ex angerufen habe und fragte, ob ich kurz vorbeikommen könnte, ich wüsste nicht weiter und es ginge mir nicht gut.
Zitternd fuhr ich zu ihr…

Und dort war er, dieser kleine Mensch. Luna. Mein kleines Mädchen, das gar nicht mein kleines Mädchen ist. Meine Tochter im Herzen.
Kinderlachen und die Freude in großen, runden Kinderaugen. Das ist der Stoff der Seelen kittet. Nicht wieder ganz macht, aber sie kittet.
Ich bin dort völlig verheult und aufgelöst angekommen und wurde mit der kleinen Maus im Arm an der Haustür begrüsst. Als mich die Kleine erkannte ging die Sonne auf.
Seit dem bin ich wie ein Vampir und nähre mich am Lachen und Strahlen dieses Kindes. Sie hat mir das Leben gerettet und ich weiß nicht was ich ohne sie machen sollte…
Jedenfalls waren wir damals alle überein gekommen, das die Situation bei meinen Eltern unmöglich sei und ich unbedingt mal etwas Ruhe und Abstand bräuchte. Das Gästebett würde mir die nächsten Tage bis Wochen jederzeit zur Verfügung stehen, bis ich wieder einigermassen fit wäre.
Tja, wie das Leben so spielt – aus ein Paar Tagen wurde dann doch ein klitzekleines Bisschen länger…und jeder verstreichende Tag machte es mir schwerer mich aus meiner Comfortzone zu erheben.
Denn hier war ich Sorgenfrei. Ich hatte keine Verantwortung mehr. Ich konnte nichts mehr verkehrt machen und niemanden mehr enttäuschen.
Ich hörte quasi auf zu existieren.

Nun ist es so, dass alles ein Ende hat. So auch die Gastfreundschaft meiner Lieben. Das ist kein Vorwurf; diese habe ich auch wirklich schamlos ausgenutzt und ein Tritt in den Allerwertesten war zwingend nötig.

Tabula Rasa

Ich bin jetzt an einem Punkt an dem ICH bin, wer ich immer sein wollte/sollte, andererseits habe ich keine Ahnung. Ich bin wie ein unbeschriebenes Blatt bzw. ich möchte ein unbeschriebenes Blatt sein – tabula rasa. Ich möchte einen Neuanfang, denn die Vergangenheit tut zu sehr weh.
Ich habe ein Jahr gebraucht um überhaupt an diesen Punkt zu kommen; um mich überhaupt emotional mit dem auseinandersetzen zu können was passiert ist. Das hat Narben hinterlassen. Narben die noch immer sehr rosa sind…
Ich habe mit viel Hilfe eine Wohnung in Neumünster gefunden. Anfangs habe ich mich vehement gesträubt, aber wohl mehr aus der Bequemlichkeit heraus. Aber je konkreter die Wohnung wurde, um so mehr habe ich mich darauf gefreut. Endlich wieder mein eigenes Leben zu führen.
Dies ist mein Neuanfang – in wirklich ALLEN Bereichen!
Neue Stadt, neues Umfeld, neuer Name, neues LEBEN…
Aber ich habe Narben.
Jetzt habe ich meine eigene Wohnung und bin WIEDER handlungsunfähig. Ich habe Angst. Schlicht und ergreifend Angst es wieder zu verbocken. Das ganz normale Einkaufen erweist sich derzeit als riesige Hürde für mich. Wenn ich vor dem Toastbrot stehe kriege ich Panik, weil ich Angst habe mich durch eine Packung Brot zu ruinieren (haha…bin ich ja eh schon). Ja, ich kriege Panik wenn ich vor die Tür gehen
soll.
Das ist eine ganz neue Qualität von psychischer Störung die sich mir da offenbart – DAS hab ich so auch noch nie gehabt. In der Firma habe ich tagtäglich mit ganz anderen Summen hantiert…und jetzt bereitet mir der Toastbrotkauf solche Probleme…
Rational betrachtet WEISS ich, das das Altlasten aus meiner Insolvenz sind und eigentlich nichts mit meiner aktuellen Situation zu tun haben, aber gegen die Gefühle in der Bauchgegend kann ich trotzdem nicht einfach gegen an.
Dann haben wir da noch den Punkt „Was fange ich mit meinem Leben an?“. Ich wünsche mir für mein neues Leben auch wieder einen geregelten Tagesablauf, denn ich habe nicht vor mir bis zu meinem Lebensabend RTL antun zu müssen. Stellt sich nur noch die Frage nach dem WAS?
Und da bin ich schlichtweg überfragt. Ich bin 34. Ist ein Neuanfang sinnvoll oder überhaupt machbar? Die fixe Idee Studium schwirrt mir auch noch im Kopf rum…aber mitten in der Privatinsolvenz?
So bleibt mir im Moment nur das Mediendesign als schöne Freizeitbeschäftigung….und learning by doing youtube.
Bin ich deshalb unglücklich? NEIN! Ich bin glücklicher als seit laaanger Zeit – schließlich steht mir quasi die Welt offen. Ich muss mich nur an meine neue Freiheit gewöhnen. Ich bin wieder für mich selbst verantwortlich. Das ist aufregend und spannend. Und ich freue mich das erste Mal seit wirklich langer Zeit auf die Zukunft, denn das Heute ist schon gar nicht übel.

Dann war da noch…

die Sache mit dem Hoseninhalt.
Entweder man wird darauf reduziert, denunziert oder ignoriert – komische Grammatik, ist aber so.
Leider muss ich doch immer wieder feststellen wie viele Vollspackos da draußen rumlaufen. Und Glücklicherweise habe ich inzwischen ein etwas dickeres Fell bekommen, aber es schmerzt mich dennoch wenn mich irgendwelche dahergelaufenen Idioten trotz allem als ER oder gar ES titulieren. Ja es tut weh und sollte mir inzwischen egal sein. Ist es aber nicht. Solche Bemerkungen treffen immer noch.
Als ob es nicht genug wäre, dass ich mich jeden Tag mit meiner biologischen Herkunft und den Schäden durch das Testosteron arrangieren müsste…
Nein, es gibt immer wieder Spezialisten die das Offensichtliche mit Neonmarker extra hervorheben müssen. Und jetzt muss ich MIR mal Luft machen und das offensichtliche sagen: Ihr seid intolerante bigotte Arschlöcher! Ich darf das sagen, das ist mein Blog….
Es ist nicht leicht das Leben leben zu wollen welches einem die Natur vorenthalten hat. Ständig gerät man in Bedrängnis und muss sich erklären – du bist aber,grooooß, du hast aber eine tieeeefe Stimme, du siehst aber määäänlich aus…
Danke an euch Spezis, das ihr mein Leben noch lebenswerter macht, als es ohnehin schon ist…als ob ich nicht schon ohne den ganzen TS-Scheiß genug an der Backe hätte.

Erinnerung an mich selbst: Kasse dringend auf FFS verklagen…oder ein Spendenkonto einrichten -.-

Wie gesagt, dies ist ein längerer Post geworden und ich bin mir während ich diese Buchstaben tippe immer noch nicht sicher, ob ich das Ding veröffentlichen soll…tiefere Einblicke in meine Seele gab es wohl noch nie und manche Dinge sollten ungesagt bleiben…aber ich muss mich irgendwem mitteilen, sonst platze ich. Und da ich niemandem mit meinen Problemen zur Last fallen möchte, tue ich dieses eben in Form meines für jeden zugänglichen Onlinetagebuchs, genannt Blog.

Es ist anstrengend…und ich denke ich veröffentliche das ganze jetzt gleich tatsächlich…die einen wird es nerven…andere vielleicht an sich selbst erinnern…wer weiß…zumindest bin ich ein wenig was losgeworden und wer sich für mich oder mein Leben interessiert kann hier einen guten Teil davon nachlesen.

Alles Liebe,
Mila

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Bianca Dickmann

    Moin Mila,puh,das ist schon starker Tobak,den du da niedergeschrieben hast. Da werden schon verschüttete Erinnerungen aus meiner jüngeren Vergangenheit wieder präsent. Kinderlachen…. ja,das kann kitten und ich bin froh,daß es dir aus der Krise geholfen hat. Und du wirst sehen,auch für die weitere Zukunft wird dir deine Tochter Kraft geben,damit du zuversichtlich die kommenden Herausforderungen meistern kannst. Alles Gute für dich!

  2. Nicole Melanie Richter

    Liebe Mila, ich kenne diesen Blog nun erst seit wenigen Tagen und dich selbst eher nur marginal… ich sag dir einfach, dieser Text hier ist sehr offenherzig und mutig geschrieben, er bewegt und läßt mitfühlen. Ich wünsche dir von Herzen, daß dir dein persönlicher „Reboot“ gelingt in der neuen Wohnung und nach deinem ureigenen Gusto. Alles Gu… nein, alles BESTE für die Zukunft und auf daß dir dein Leben mal wieder was gönnt!

  3. Sophie Kunes

    hej, willkommen im neuen leben. du hast schon so viel geschafft, da wird sich der rest auch noch ergeben. GIRL POWER!!!

    ach, und keine angst: toastbrot ist unser freund

  4. Beatrix Ahlers

    Der Beitrag ist schon OK, so wie er ist. Ab und zu muß man sich seinen Frust von der Seele schreiben, das befreit. Danach hat man dann den Kopf wieder für die wichtigen Dinge frei.

  5. Bianca Dickmann

    Moin Mila,puh,das ist schon starker Tobak,den du da niedergeschrieben hast. Da werden schon verschüttete Erinnerungen aus meiner jüngeren Vergangenheit wieder präsent. Kinderlachen…. ja,das kann kitten und ich bin froh,daß es dir aus der Krise geholfen hat. Und du wirst sehen,auch für die weitere Zukunft wird dir deine Tochter Kraft geben,damit du zuversichtlich die kommenden Herausforderungen meistern kannst. Alles Gute für dich!

  6. Nicole Melanie Richter

    Liebe Mila, ich kenne diesen Blog nun erst seit wenigen Tagen und dich selbst eher nur marginal… ich sag dir einfach, dieser Text hier ist sehr offenherzig und mutig geschrieben, er bewegt und läßt mitfühlen. Ich wünsche dir von Herzen, daß dir dein persönlicher „Reboot“ gelingt in der neuen Wohnung und nach deinem ureigenen Gusto. Alles Gu… nein, alles BESTE für die Zukunft und auf daß dir dein Leben mal wieder was gönnt!

  7. Sophie Kunes

    hej, willkommen im neuen leben. du hast schon so viel geschafft, da wird sich der rest auch noch ergeben. GIRL POWER!!!

    ach, und keine angst: toastbrot ist unser freund

  8. Beatrix Ahlers

    Der Beitrag ist schon OK, so wie er ist. Ab und zu muß man sich seinen Frust von der Seele schreiben, das befreit. Danach hat man dann den Kopf wieder für die wichtigen Dinge frei.

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